Mittwoch, 23. Juni 2004

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Am Wochenende habe ich einen ziemlichen Fettnapf geliefert. Mein Vater wirkt, seit er 60 geworden ist, ohnehin nicht mehr sehr begeistert über die Feierlichkeiten, die wir zu seinem Geburtstag über ihn ergiessen. Ich habe ihm das Buch "Das Methusalix-Komplott" geschenkt, was ich lieber zu Weihnachten oder zum Namenstag getan hätte. Er würgte ein erbärmliches "Jö" heraus, um sich dann eindringlich und übertrieben enthusiastisch mit den Tennisshirts von meiner Schwester zu beschäftigen. Au Backe.

Am gleichen Abend las ich im Spiegel einen Artikel über einen Herrn Galsan Tschinag, Autor, eigentlich Irgit Schynykbajoglu Dshurukuwaa, der Anfang oder Mitte der vierziger Jahre als jüngster Sohn einer Nomadenfamilie der Tuwa in der Mongolei geboren wurde.

Ich wurde stutzig. Was für ein Privileg!

Er hat keine Ahnung wie alt er ist. Keine Dekadenkrisen, keinen Erfüllungsdruck, keine messbaren Vergleichsszenarien - so al la, die Traudl hat aber in deinem Alter schon das zweite Studium fertig gehabt, neben ihren 3 Kindern und ihrem Job als Vorstandsvorsitzende von Traudi's Strickstube. Oder der Hansi ist ein Spätzünder, der hat mit 50 immer noch keine Freundin.

Herr Tschinag wird keine Jobs aufgegeben haben, weil er vor 40 noch was werden wollte, keine Beziehungen beendet, weil er nicht wissen konnte, wann denn genau eine Midlifekrisis bei ihm anzusiedeln war. Wenn er keine Verantwortung wollte, hat er sich ein paar Jahr jünger gedacht, wenn er sich beweisen wollte, ein paar Jahre älter. Alle Entscheidungen waren zu SEINER Zeit, und in SEINEM Tempo zu treffen. Und wenn ihm nach Krise war - bitte, dann war er eben 70.

Das Trotzdemgeschenkeproblem liess sich sicher lösen, indem er irgendein leckeres, sonniges Datum festlegte, je nach Partnerin in einem kompartiblen Sternzeichen, und eher am Monatsanfang, wo jeder noch finanziell bei Trost ist. Vielleicht hat er das eine oder andere runde Fest öfter als einmal gefeiert, who cares!

Okay, irgendwann verbietet einem das Spiegelbild so eine Verdrängungstheorie, aber mit viel Phantasie und Chemie kann man seinen 30er oder schon um ein oder 2 Jahrzehnte ausdehnen, das Unterbewusstsein wirds einem danken.

Aber vielleicht ist ohnehin alles anders. Schon in der Volksschule habe ich verzweifelt nach meinen Adoptionspapieren gesucht, als mir des öfteren der Gedanke hineinblitzte, das diese Möglichkeit mir die Unmöglichkeit meiner Eltern erklärt. Vielleicht find ich sie ja noch :-) Und dann schreib ich meinem Vater ein Abbitte-Email, von einer 10jährigen kann man eben nicht mehr Feingefühl erwarten.


PS: Es ist Sommer, ich beginne mich mit Petrus zu versöhnen, aber duzen darf er mich noch nicht.

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