Nicht einmal ein Nachruf
Dies ist eine Autogegeschichte.
Ich hatte einmal einen eingewachsenen Zehennagel. Da war ich 13. Das ist jetzt kein schickes Thema. Damen haben ja nie was, mein Freund möchte nicht einmal, dass wir einen Stoffwechsel haben.
Naja auf jeden Fall hat sich dieser Zehennagelfall über 2 Jahre gezogen, weil ich einerseits zu faul war was zu tun, dann wieder zu feig, um den Nagel ziehen zu lassen, und auch zu eitel, weil ich wo gelesen habe, dass der Nagel dann schiach und schrumpelig wieder nachwächst. Nicht dass ich jemals Modelzehen gehabt hätte.
Bald wird man lesen, dass es hier um ein Auto geht.
Es war der linke grosse Zeh', er hiess Otto (war ihm sicher nicht recht), und ich habe irgendwann begonnen, die Stelle wo man bitte nicht drauftreten soll, zu markieren. Mit Filzstift. Ich habe allen ernstes 2 Jahre lang markierte Schuhe getragen. Wahnsinnig peinlich, eigentlich.
Vorweg: Es geht um MEIN Auto.
Irgendwann war es gut, aber der Zeh ist im Vergleich zum anderen grossen Zeh irgendwie ... gealtert. Er sah nie wieder so lebensfroh aus wie seine Kumpels.
Mit der richtigen oder pragmatischen oder zumindest irgendeiner Einstellung wäre die Sache nach einem Monat erledigt gewesen. Ich bin eigenartig berührt, wenn ich meine Teenie-Fotos ansehe: Zahnspange und Schuhe mit Filzstiftkreuzerl drauf - Symbol der Ausgeprägtheit meiner Skills im richtigen Augenblick die mittel- und langfristig geeignetsten Entscheidungen zu treffen. Auf der nach oben offenen Entscheidungsvermögensskala liegt die meine Marke vermutlich so ca. bei 0,5. Ums Arschlecken hoch genug um im Krankheitsfall nicht in die Tierklinik zu müssen.
Also, mein Daewoo Nexia, weiss, schiach, wie schon früher beschrieben: er ist heute gestorben. Unwürdig.
In einer totalen Scheisszeit gekauft, dachte ich mir damals, ich verkaufe das Ding eh' sofort wieder. Nachdem sich die Scheisszeit zwar in allen Belangen ausser den finanziellen gebessert hat, musste ich mit dem unmöglichen Kräubel weiter fahren. Der Unmut darüber hat sich in folgenden Misshandlungen und Vernachlässigungen meinerseits geäussert:
2003 - 2005: Das Auti wurde niemals gewaschen. Weder innen noch aussen.
2003: 5 Liter Dispersionsfarbe sind am Rücksitz umgekippt und ich habe keine einzige Sekunde versucht sie jemals wieder zu entfernen. Decke drüber, und jeder Mitfahrende, der sich über den harten Sitz gewundert hat wurde dazu angehalten mehr zu essen, damit der Popo halt mehr abfedert.
2004: Die Klimanalage fiel für immer aus, und dementsprechend wuchs auch der Hass auf die Karre.
2005: Auf der 4000 km Fahrt durch Bulgarien sind Kabeln verschwunden und das Auto ist auf Notbetrieb gefahren. Und hat uns nach Österreich zurück gebracht. Sicher und tapfer. Ich hab's nie repariert.
Später im Jahr (nach ein paar umgefahrenen Strassenschildern, mit Beulen als Folgeerscheinung) hat das Auto irgendwann das Nummerntaferl verloren. Nackt und identitätslos, das Taferl notdürftig in der Windschutzscheibe, gurkte der Daewoo weiter durch die Welt.
Im Winter hat sich herausgestellt, dass aufgrund des Notbetriebes auch die Heizung nicht geht. Anstatt alles wieder gut zu machen, habe ich es bevorzugt, das Auto noch mehr zu hassen.
Heute bin ich aus dem Burgenland frierend durch den Schneeregen gefahren. Zerbeult, dreckig, innenraumgekühlt, rückbankverklebt und notbetriebsmüde hat mein Auto beschlossen, Selbstmord zu begehen. Um mir Unannehmlichkeiten zu ersparen, ist ihm erst an der Stadtgrenze der Keilriemen gerissen. Ich hab's nicht geschnallt. Und erst in der Ausstellungsstrasse gab's den Kolbenreiber wegen Totalüberhitzung des gepeinigten Motors. Damit ich noch sicher heimkomme.
Ich Schwein. Wenn ich Ehrenbürgerin der Stadt Wien wäre, hätte ich jetzt eine Urkunde zurückzuschicken.
Weder der Nagel noch das Auto können was dafür. Sie waren wie sie waren, und taten, was sie eben tun: wachsen und fahren.
Reicht es, selbstreflexiv zu sein, aber sich nicht zu bessern?
Ich will weder das Auto zurück, noch den eingewachsenen Zehennagel. Aber ich hätte gerne einen höheren Wert auf der nach oben offenen Coole-Entscheidungen Skala. Und ein neues Auto, damit ich gesunden Fusses meine Geschenke abholen kann von der niederösterreichischen Verwandtschaft.
In Memoriam Daewoo:
apropos auto
entdeckung der langsamkeit
Ich hatte einmal einen eingewachsenen Zehennagel. Da war ich 13. Das ist jetzt kein schickes Thema. Damen haben ja nie was, mein Freund möchte nicht einmal, dass wir einen Stoffwechsel haben.
Naja auf jeden Fall hat sich dieser Zehennagelfall über 2 Jahre gezogen, weil ich einerseits zu faul war was zu tun, dann wieder zu feig, um den Nagel ziehen zu lassen, und auch zu eitel, weil ich wo gelesen habe, dass der Nagel dann schiach und schrumpelig wieder nachwächst. Nicht dass ich jemals Modelzehen gehabt hätte.
Bald wird man lesen, dass es hier um ein Auto geht.
Es war der linke grosse Zeh', er hiess Otto (war ihm sicher nicht recht), und ich habe irgendwann begonnen, die Stelle wo man bitte nicht drauftreten soll, zu markieren. Mit Filzstift. Ich habe allen ernstes 2 Jahre lang markierte Schuhe getragen. Wahnsinnig peinlich, eigentlich.
Vorweg: Es geht um MEIN Auto.
Irgendwann war es gut, aber der Zeh ist im Vergleich zum anderen grossen Zeh irgendwie ... gealtert. Er sah nie wieder so lebensfroh aus wie seine Kumpels.
Mit der richtigen oder pragmatischen oder zumindest irgendeiner Einstellung wäre die Sache nach einem Monat erledigt gewesen. Ich bin eigenartig berührt, wenn ich meine Teenie-Fotos ansehe: Zahnspange und Schuhe mit Filzstiftkreuzerl drauf - Symbol der Ausgeprägtheit meiner Skills im richtigen Augenblick die mittel- und langfristig geeignetsten Entscheidungen zu treffen. Auf der nach oben offenen Entscheidungsvermögensskala liegt die meine Marke vermutlich so ca. bei 0,5. Ums Arschlecken hoch genug um im Krankheitsfall nicht in die Tierklinik zu müssen.
Also, mein Daewoo Nexia, weiss, schiach, wie schon früher beschrieben: er ist heute gestorben. Unwürdig.
In einer totalen Scheisszeit gekauft, dachte ich mir damals, ich verkaufe das Ding eh' sofort wieder. Nachdem sich die Scheisszeit zwar in allen Belangen ausser den finanziellen gebessert hat, musste ich mit dem unmöglichen Kräubel weiter fahren. Der Unmut darüber hat sich in folgenden Misshandlungen und Vernachlässigungen meinerseits geäussert:
2003 - 2005: Das Auti wurde niemals gewaschen. Weder innen noch aussen.
2003: 5 Liter Dispersionsfarbe sind am Rücksitz umgekippt und ich habe keine einzige Sekunde versucht sie jemals wieder zu entfernen. Decke drüber, und jeder Mitfahrende, der sich über den harten Sitz gewundert hat wurde dazu angehalten mehr zu essen, damit der Popo halt mehr abfedert.
2004: Die Klimanalage fiel für immer aus, und dementsprechend wuchs auch der Hass auf die Karre.
2005: Auf der 4000 km Fahrt durch Bulgarien sind Kabeln verschwunden und das Auto ist auf Notbetrieb gefahren. Und hat uns nach Österreich zurück gebracht. Sicher und tapfer. Ich hab's nie repariert.
Später im Jahr (nach ein paar umgefahrenen Strassenschildern, mit Beulen als Folgeerscheinung) hat das Auto irgendwann das Nummerntaferl verloren. Nackt und identitätslos, das Taferl notdürftig in der Windschutzscheibe, gurkte der Daewoo weiter durch die Welt.
Im Winter hat sich herausgestellt, dass aufgrund des Notbetriebes auch die Heizung nicht geht. Anstatt alles wieder gut zu machen, habe ich es bevorzugt, das Auto noch mehr zu hassen.
Heute bin ich aus dem Burgenland frierend durch den Schneeregen gefahren. Zerbeult, dreckig, innenraumgekühlt, rückbankverklebt und notbetriebsmüde hat mein Auto beschlossen, Selbstmord zu begehen. Um mir Unannehmlichkeiten zu ersparen, ist ihm erst an der Stadtgrenze der Keilriemen gerissen. Ich hab's nicht geschnallt. Und erst in der Ausstellungsstrasse gab's den Kolbenreiber wegen Totalüberhitzung des gepeinigten Motors. Damit ich noch sicher heimkomme.
Ich Schwein. Wenn ich Ehrenbürgerin der Stadt Wien wäre, hätte ich jetzt eine Urkunde zurückzuschicken.
Weder der Nagel noch das Auto können was dafür. Sie waren wie sie waren, und taten, was sie eben tun: wachsen und fahren.
Reicht es, selbstreflexiv zu sein, aber sich nicht zu bessern?
Ich will weder das Auto zurück, noch den eingewachsenen Zehennagel. Aber ich hätte gerne einen höheren Wert auf der nach oben offenen Coole-Entscheidungen Skala. Und ein neues Auto, damit ich gesunden Fusses meine Geschenke abholen kann von der niederösterreichischen Verwandtschaft.
In Memoriam Daewoo:
apropos auto
entdeckung der langsamkeit
heidilist - 22. Dez, 17:33