Frühlingsflop
In einem Gedicht von Heine über den Frühling heisst es so ähnlich wie „…da habe ich ihr gestanden, mein Sehnen und Verlangen“. Reine Nostalgie, dass sich diese Zeit im Jahr so prickelnd gestaltet. Damals haben sich nicht 80 % der potentiellen Liebeswerber zu Hause verbarrikatiert, weil ihnen die Pollenallergie einen Strich durch die aufkeimenden Frühlingshormone machte. Einst flanierte man sonntag nachmittags ohne Augentropfen und bar jeder Küchenrolle (Taschentücher zahlen sich nicht mehr aus) über die Prater Hauptallee. Man grüsste sich neckend, stahl sich ein Küsschen und wurde von der strengen Gouvernante erwischt, die dann vielleicht doch ein Auge zudrückte. Heutzutage nulpt man ebendort triefäugig und daher komplett unbeachtet zwischen rotzenden Co-Allergikern umadum. Der heute zeitgemässere Kennenlern-und-ab-die-Post-Quicki scheitert auf jeden Fall am gemeinsamen Niesanfall, bzw. die lyrische Inspiration reicht höchstens für: „Da schneutzte sie sich wieder, zum Teufel mit dem Flieder.“ Zu allem Überdruss erspäht man übrigens stattdessen einen berühmten, joggenden und echt nicht sehr schön aussehenden Politiker. Nein, der Frühling, der vom Heine, der ist woanders.
Kolumne im Falter vom 17.5.2006
Kolumne im Falter vom 17.5.2006
heidilist - 13. Jan, 17:41