Hans und Ernst
Ein Bekannter lies sich von seinem Makler ihn in eine hässliche, überteuerte Wohnung schleppen. Er wollte schon gehen, da entdeckte er an der Wand des Schlafzimmers ein Zeichen, in der Form zweier umgedrehter Augenbrauen. Wohl ein Mal der sexuellen Vorliebe der Vormieterin, so der Makler. Die Lady behielt immer die Pumps an und stützte sich beim Sex an der Wand ab. Er mietete die Wohnung sofort. Wie geil war das denn! Er stellte die Couch genau gegenüber der Augenbrauen – und gab sich in den nächsten Wochen und Monate seiner Fantasien hin. War diese beschuhte Wildkatze blond oder braunhaarig? Wie lange brauchten die Wandnarben für ihre Tiefe? Was tat man mit ihr? Ob sie laut waren? War es nur einer oder hatte sie viele Liebhaber? Mehr Inspiration als diese Augenbrauen brauchte er nicht, er hatte viel Spass in dieser Wohnung. Jahre später fand er ein Foto in einem Küchenkasten. Hans und Ernst. Beide um die fünfzig. Die Vormieter. Zeit für eine neue Wohnung, dachte mein Bekannter.
Kolumne im Falter vom 19. März 2008
Kolumne im Falter vom 19. März 2008
heidilist - 20. Mär, 12:10