Freitag, 1. Oktober 2004

try, fail, try again, fail better.

Modifiziert: folgender Beitrag ist komplett falsch recherchiert, also man muss ihn nicht lesen. Der Hesse starb urspät und auf keinen Fall nach Demian. Kam ich heute nach 20 Jahren drauf. Das heisst, ich kann den ganzen Kram nochmal lesen, unter anderen Gesichtspunkten.


*******
Tag 3 mit Kranksein. Wunderlich umadumdenken ist da okay. Badewanneneinfall: Wieso headlinen alle Eltern "Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne" auf die Taufanzeigen ihrer Sprösslinge. Ich frage mich, ob das nicht eine totale Themenverfehlung ist, bzw. ob die Leute über diese Zeile hinaus recherchieren, worums überhaupt geht.

Für mich ist das Gedicht eher so eine Art Kochrezept. Der Anfang von etwas als Hoffnungsträger in Richtung erträglichere Umstände ist quasi das Backpulver. Ohne dem bleibt der Kuchen von vornherein sitzen.

STUFEN
(von Hermann Hesse)

Wie jede Blüte welkt
und jede Jugend dem Alter weicht,
blüht jede Lebensstufe,
blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
in and're, neue Bindungen zu geben.

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
der uns beschützt und der uns hilft zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
an keinem wie an einer Heimat hängen,
der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten!
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
und traulich eingewohnt,
so droht Erschlaffen!

Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
mag lähmender Gewohnheit sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
uns neuen Räumen jung entgegen senden:
des Lebens Ruf an uns wird niemals enden.

Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

(Hermann Hesse,
p.s.: wer da die Rechte hat weiss ich nicht, bitte verklagt mich nicht, ich bin jung und brauche mein Geld.)

Wahrscheinlich Hesses Form von Autosuggestion zur Vermeidung eines Totalabsturzes. Meiner Meinung nach gehts hier um den Versuch, den Prozess des Loslassens und Verkraftens zu beschreiben.

Wenn man weiss, dass er sich nach Fertigstellung von "Demian" umgebracht hat, wird dieses Gedicht aus karmischen Gründen von den Dokumenten seiner Nachkommen fernzuhalten wissen. Sofern es willkommene Kinder sind, für die man sich Leichtigkeit als höchstes Lebensgut erhofft.

Aha. Oi. Heute also schwülstiger Tag, List.
Schreibe noch was Peppiges:
PEPPI!
creature - 1. Okt, 12:45

wüßte nicht das hesse sich umbrachte, sein letztes werk war das glasperlenspiel und er ist recht alt geworden, der gute herr !

heidilist - 1. Okt, 12:46

dachte demian. das zum thema recherche. bin jetzt zu schwach.
Blogluder - 1. Okt, 12:57

Hesses letztes großes Werk war das "Glasperlenspiel", da hat creature schon recht. Und er ist 1962 eines natürlichen Todes gestorben, mit 85 Jahren.
heidilist - 1. Okt, 13:01

danke, ich bin total erschüttert. alles anders, als ich jahrzehnte dachte. wo hab' ich dieses kuckucksei nur her?
Blogluder - 1. Okt, 13:04

Manchmal ist das doch einfach so. Ich habe auch 10 Jahre lang gedacht, dass man "voraussichtlich" mit zwei "r" schreibt und meine Mutter schreibt unverbesserlich-verbittert das "bißchen" mit einem "s".
So ist das Leben, voller Überraschungen *g* :)
heidilist - 1. Okt, 13:18

ja. hm. stimmt. ich glaube, ich blogge in der nächsten zeit lieber nur witze.
Blogluder - 1. Okt, 13:21

Nein, nicht doch. So alles in allem ist der Beitrag jetzt besonders lesenswert. Mich hat er zumindest sehr erheitert (samt Kommentaren) und trotz Schniefnase und Fieber konnte ich mir einige Lacher nicht verkneifen :)
heidilist - 1. Okt, 13:24

how to make aus einer belehrenden abhandlung die aufdeckung eines lebensirrtums. auch schniefnase... :-)
Blogluder - 1. Okt, 13:26

Hihihi, naja, ich wollte keine Lebens- oder Sinnkrise heraufbeschwören *g*.
Gute Besserung, von Schniefnase zu Schniefnase :)
guitar - 1. Okt, 13:37

Vortrag!

Aufgemerkt!

Jetzt seids in meiner Gasse. Habe über das Glasperlenspiel eine Spezialarbeit in der Schule geschrieben.

Lustig: Erstens stammt dieses Gedicht "Stufen" aus dem "Glasperlenspiel" - es ist eines der fiktiven Hauptfigur Josef Knecht. Zweitens liegt das "Glasperlenspiel" rein zufällig grad neben mir auf dem Schreibtisch.

Der Hesse ist 1962, am 9. August, in der Schweiz gestorben. Hätte er sich nach "Demian" umgebracht, hätte er den Großteil seines Werkes, für das er später den Literaturnobelpreis gekriegt hat, nie schreiben können. Ich vermute, Heidrun, dir ist hier Hesses Protagonist aus "Steppenwolf", eh ein plumpes Selbstporträt, reingerutscht, der hat so einen Hang zum Entleiben.

Aber tröste dich: Es gab viele Dichter, die sich suizideten. Der Hesse nicht, dazu war er viel zu brav und als Missionarskind auch viel zu bigott protestantisch.

Was wollt ich noch sagen? Ahja, dass ich "Stufen" eher für ein gutes Motto noch Trennungen halte, was einem zum diesem Zeitpunkt jedoch nichts gibt, weil man nichts will, außer Schmerzen haben. Bei meiner Hochzeit 1993 wurde dieses Gedicht von unserer Trauzeugin vorgetragen. Gestern habe ich die Scheidungspapiere unterschrieben. Dafür ist die Trauzeugin jetzt verheiratet, ihr Mann vögelt aber auswärts.

Noch was? Genau: Als ich 17 war, hielt ich Hesse für ein Geschenk des Himmels an mich, nur an mich. Die Nichtmehr17jährigen, die mir milde erklärten, sie hätten das mit 17 ebenso empfunden, das würde sich aber bald auswachsen, habe ich für diese Aussagen gehasst. Heute, wo ich zweimal 17 plus 2 alt bin, sage ich: Das hat sich ausgewachsen.

(Zum Glück muss ich das über Neil Young, The Clash und The Doors nicht sagen. Oder nein, über The Doors doch auch).

Das "Glasperlenspiel", damals meine Bibel, kommt mir heute wie die fiebrig-verschwurbelte Wisseneselitenphantasie eines alten, an der Grenze der Tattrigkeit pausierenden Mannes vor, der mit sich im Unreinen ist. "Demian" ist eine Halbzeit lang sehr spannend und verliert sich dann im Eso-Schmafu. Siddartha ist die Langfassung des George-Harrison-Songs "My Sweet Lord", nur viel fader. "Unterm Rad" ist sehr gute Sozialprosa, und "Narziss und Goldmund" eine auf den Punkt geschriebene Erzählung über zwei ungleiche Lebensfreunde, bei denen man genau spürt, dass der Autor gern beide wäre.

Aber sonst?

OK, es läutet. Ihr dürft gehen. Kein Laufen am Gang!
Morgen Test.
heidilist - 1. Okt, 12:50

Letztes Werk

http://www.koreaheute.de/nachr/nach043.htm

Knarren eines geknickten Astes. Finde ich ja wieder super.

creature - 1. Okt, 16:26

schade das der text nicht dabeisteht!
es ist mir natürlich eine genugtuung auf dein gerücht die wirklichkeit darzustellen, versuche ich doch schon seit jahren endlich ein passendes komment zu schreiben, scheiterte doch immer an deinen pointierten witzen und gut gemachter einträge dem ich nix entgegen zu setzen vermag. *froi*
heidilist - 1. Okt, 16:33

Knarren eines geknickten Astes

Knarren eines geknickten Astes

Splittrig geknickter Ast,
Hangend schon Jahr um Jahr,
Trocken knarrt er im Wind sein Lied,
Ohne Laub, ohne Rinde,
Kahl, fahl, zu langen Lebens,
Zu langen Sterbens müd.
Hart klingt und zäh sein Gesang,
Klingt trotzig, klingt heimlich bang
Noch einen Sommer,
Noch einen Winter lang.
(Hermann Hesse, mit hoffentlich freundlicher Toleranz der Rechteinhaber)

:-)
creature - 1. Okt, 16:40

typisch

hesse, ich mochte und mag ihn immer noch, war er doch in meiner jugend mein geistiger vater!

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